Ein Erinnerungsgespräch

Zur Erinnerung an Ilse Garzaner Wir denken an Dich und sagen Danke

Ilse und Kurt Garzaner waren immer wieder Kollaborateure in unseren Theaterarbeiten und die gesamte Familie Garzaner ist uns ans Herz gewachsen.  Für das herbstbuch 1968-2017 hat Johanna Hierzegger ein Gespräch mit Ilse und Mario Garzaner über ihre Zeit mit Christoph Schlingensief geführt, das wir hier in Gedenken an Ilse Garzaner veröffentlichen.
Wir danken dir und denken an Dich, sowie an Kurt und Mario.

Und wie war der Schlingensief? Den hast da kennengelernt?

Mario: Ja, ja, bei Jugend am Werk.

Wie ist der auf dich gekommen?

Mario: Ich weiß gar nicht mehr wie...

Ilse: Ja, der Schlingensief hat für den steirischen herbst „Hurra, Jesus! Ein Hochkampf" gemacht und hat gesagt, er hat in Berlin schon mit Behinderten und mit Schauspielern gearbeitet und er möchte in Graz auch Behinderte zu den Schauspielern dazu nehmen. Dann hat er gesagt: Wo find ich welche? Und dann habens gesagt: bei Jugend am Werk, die spielen dort Theater und er soll dort hingehen. Und dann hat er fünf, sechs ausgesucht - das wirst ja noch wissen. Und dann seid's mit dem Schlingensief ins Schauspielhaus.

Mario: Ja, so war das.

Ilse: Dann hat er euch das Mikrofon in die Hand gegeben und gesagt: macht's irgendetwas. Und der Mario hat gleich irgendein Blablabla gemacht. Und dann sind sie in den Dom hinübergegangen, die ganze Gruppe, und da hat die Baronin- zu einer haben wir immer Baronin gesagt, das war eine Deutsche- so hinaufgezeigt, zu den Fresken..

Mario: ja, so hinauf...

Ilse: ...und die Baronin zeigt so hinauf mit der Hand und der Schlingensief sagt zu ihr: Zeig nicht so, weil Graz war die Stadt der Volkserhebung- da glauben die Leute, du machst den Hitlergruß. Und da hat einer von den Behinderten, der Robert, daheim gesagt- die sind so eine katholische Familie - hat gesagt: wir waren im Dom und haben müssen den Hitlergruß machen. Und am nächsten Tag bring ich den Mario wieder zur Probe, weil ich hab ihn immer hingeführt, und dann fragen sie alle: was ist mit dem Robert und ich sag: ich weiß gar nix wegen dem Robert und dann bin ich runter zu Jugend am Werk und frag: was ist mit dem Robert- dann hat die eine Betreuerin zu mir gesagt: wissen Sie gar nix? Sag ich: Na. Sagt sie: Ist der Mario so dumm, hat der das nicht begriffen? Sag ich: was, was ist denn? Hat sie mir des erzählt, wegen dem Hitlergruß. Dann komm ich zum Theater hin und hab das denen erzählt, die waren alle entsetzt, die Schauspieler und haben dann gesagt, wie es wirklich war. Und der Schlingensief hat der Mutter vom Robert dann einen vier Seiten langen Brief geschrieben, den hat sie nicht geöffnet, den hat sie zurückgeschickt und sie war beleidigt und hat ihn eine Woche nicht zu Jugend am Werk geschickt, den Robert.

Und die Kritiken waren ja sehr gut von „Hurra Jesus“, und da hat einer geschrieben: Also wenn der Mario auf die Bühne gekommen ist, dann glänzt das Ganze - also so schöne Kritiken. Und ein Kritiker hat geschrieben:: „Ein Halbidiot hat eine Glanzleistung vollbracht.“ Und dann war eine Diskussion auf der Bühne und der Kurt, mein Mann ist mit raufgegangen und die Studenten waren im Publikum und es ist immer nur um den Behinderten gegangen und alle haben geredet. Und dann hat der Kurt gesagt: Wir haben ja eh ein Glück. Weil früher haben wir einen Vollidioten gehabt, jetzt haben wir nur mehr einen Halbidioten. Und der Schlingensief hat allen gesagt: das ist der Papa vom Mario!

Mario Garzaner, Schauspieler u,a, bei Christoph Schlingensief

Ilse Garzaner, Schauspielerin und Statistin u.a.bei Christoph Schlingensief

Interview: Johanna Hierzegger

10. February 2019, Categories: Nachrichten aus dem Betrieb