Russland wirklich lieben!

Zu den Liedern von Lorenz Kabas

Wie lerne ich ein russisches Lied? - Ein Balanceakt zwischen rudimentären Sprachkenntnissen und phonetischer Aneignung.

Drei bis vier Tage vor der Vorstellung erhalte ich von den geladenen Gästen ihre Musikwünsche in Form eines youtube-Links. Der erste Spannungsmoment: Ist was dabei, was ich kenne? In diesem Fall negativ. Der Nachteil: Diesmal ist es wirklich Arbeit. Der Vorteil: Nach der Arbeit bin ich um mindestens zwei Lieder reicher. Wie pack ich’s an?
Schritt 1- 3: Ich höre mir das Lied an, dann höre ich es mir ein weiteres Mal an, dann noch einmal.
Schritt 4: Ich suche im Internet nach den russischen Texten (zu den rudimentären Sprachkenntnissen zählt, kyrillisch lesen, aber nicht notwendigerweise verstehen zu können - und wichtiges Basiswissen zur russischen Phonetik), vielleicht gibt es sogar die Akkorde. In diesem Fall beides positiv.
Schritt 5: Ich höre mir das Lied noch einmal an und lese den Text mit, um zu überprüfen, ob das, was geschrieben steht, auch gesungen wird. 98% Übereinstimmung. 
Schritt 6 - 8: Ich höre mir das Lied drei weitere Male an und versuche mitzusingen. Das reicht in der Regel, um die Melodie abrufbar zu haben.
Schritt 9: Ich transponiere das Lied auf meine Stimmlage und schreibe die Akkorde entsprechend um.
Schritt 10: Ich singe das Lied zum ersten Mal alleine und überprüfe dabei, ob die Akkorde stimmen. Fast - einer klingt nicht ganz sauber, ein besserer Akkord ist bald gefunden.
Schritt 11: Worum geht’s im Lied eigentlich? Es gibt Vermutungen (siehe rudimentäre Sprachkenntnisse), es gibt ein Wörterbuch. Manches bestätigt sich, manches überrascht, manches wird klarer.
Schritt 12 - 29: Üben, üben und wieder üben! An der Aussprache und der Phrasierung feilen. Alle Lieder erzählen eine kleine Geschichte. In Zweifelsfall wieder das Original anhören, Markierungen im Text machen: Akzente setzen, Phrasierungsbögen einzeichnen. Eine Coverversion entwickeln, mit der ich zufrieden bin. 

Zwei der geladenen Gäste haben Russisch als Muttersprache, der dritte ist Slawist. Die Lieder sollen nicht wie eine bemühte Anbiederung den Gästen gegenüber wirken; sie sollen sich über das kleine musikalische Geschenk freuen und nicht fremd schämen - das ist mein Anspruch.

Die Lieder verrate ich noch nicht. In zweien geht es um Liebe, im dritten um Freundschaft. Ekaterina Degots Musikwunsch hat mich überrascht. Da würde ich gerne die Geschichte dahinter erfahren. Vielleicht erzählt sie und die ja.

(Lorenz Kabas)
 

5. Oktober 2018, Kategorien: Nachrichten aus dem Betrieb